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Georgien Teil 1

 

05.12.18 Mittwoch

Die Grenze überqueren wir getrennt. Nur die Fahrer dürfen im Fahrzeug durch die Kontrolle. Alle anderen Passagiere gehen zu Fuß einen separaten Weg. Trotz der Trennung kommen wir zügig durch. David ist etwas schneller fertig und wartet am Ende schon auf mich.

Als erstes kaufen wir eine Versicherung für den Pinzgauer (55 Lari). Ohne die geht es nicht weiter. Unser grüner Versicherungsschein aus Deutschland ist hier nicht gültig.

 

Batumi

Die Tage zuvor haben wir erfahren, dass Dani, Johannes und Peter von KUKUK-Kultur zufällig auch in Georgien sein werden. Nach einer Kontaktaufnahme haben wir uns in Batumi verabredet … und getroffen.

 

Batumi liegt direkt am Meer und ist im Sommer DER Urlaubsort in Georgien. Die Strandpromenade ziert ein prachtvolleres Gebäude nach dem anderen. Dahinter schließt sich die Altstadt mit wunderschönen Ziegelsteinbauten an. Drei Blocks später sieht man aber ein

heruntergekommenes Haus nach dem anderen. Entweder sind sie noch nicht fertiggestellt, oder es fehlt schon wieder etwas, da die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat.

 

Wir kommen im Hotel bei den KUKUK´s unter und über diesen Luxus freuen wir uns riesig. Nachdem wir die letzten Wochen auf Sofas und dem Boden geschlafen haben ist ein einfaches Zimmer mit Bett der Himmel auf Erden.

Die Jungs sind hier um für ein zukünftiges Spielplatz-Projekt Orte und Materialverfügbarkeit zu begutachten und zu prüfen. David und ich gehen natürlich mit, da unsere Spielplatzbau-Erfahrung aus Bosnien und Albanien vielleicht nützlich sein kann... (eher nicht).

Wir besichtigen einige möglichen Plätze an der Promenade und sehen dabei noch etwas von der Stadt.

Als Übersetzerin und Guide ist Nino, eine Lehrerin der Waldorfschule aus Tbilisi , mit dabei. In den kommenden Wochen werden wir sie noch besser kennen lernen.

Bei einem gemeinsamen Abendessen mit den KUKUK´s aus Stuttgart erzählen wir was uns alles in den letzten Monaten widerfahren ist. Es tut gut vertraute Gesichter zu sehen und sich austauschen zu können.

 

06.12.18 Donnerstag

Weiter Plätze werden besichtigt. Nachmittags ziehen die Jungs los um den örtlichen Holzhändler zu besuchen. In der Zwischenzeit widmen wir uns wieder der Dokumentation. Blog und Videos fallen in der Regel nicht vom Himmel.

 

Zusammen mit Nino statten wir am Abend dem Waldorf-Kindergarten in Batumi einen Besuch ab. Wir sind eingeladen dem Adventsgärtlein beizuwohnen.

Bei uns Waldis werden alte Erinnerungen wach...

 

07.12.18 Freitag

Auf Anfrage der Kindergärtnerinnen und dem Wunsch der KUKUK´s entsprechend performen wir im Kindergarten eine kleine Show und im Anschluss spielen wir noch ein wenig mit den Kindern.

Auf engstem Raum werden unsere Bälle und das Rola Bola ausprobiert. Ab dem Moment da einige Kinder entdecken, dass man Bälle auch gut werfen kann, muss man ein wenig mehr aufpassen, aber für uns passt das schon.

 

Seit einer geraumen Weile bietet mir mein Laptop an, ein System-update zu installieren und heute entschließe ich mich das anzugehen.

Nach 4 Stunden ist es endlich abgeschlossen und tadaa … Jetzt geht gar nichts mehr!

Für meinen alten DELL Laptop ist alles zu spät. Vor dem Update war er schon langsam. Jetzt sind wir in der Steinzeit angekommen.

Da ich es überhaupt nicht leiden kann, wenn die Technik nicht so funktioniert wie sie eigentlich sollte, bekomme ich einen kleinen Wutanfall …

 

… nach 3 Stunden habe ich mich wieder soweit unter Kontrolle, dass David mich nicht mehr davon abhalten muss den DELL aus dem Fenster zu werfen.

Alle Versuche das Update wieder Rückgängig zu machen scheitern.

Ganze 3 Monate werde ich mich damit herumplagen müssen, bis eine Lösung gefunden wird.

 

08.12.18 Samstag

Abschied. Die KUKUK´s werden heute Abend aus dem Flugzeug aussteigen und Brezel essend mit der S-Bahn nach Stuttgart fahren …

Passend zu unserer Stimmung regnet es ein wenig.

Die Fahrt gen Tbilisi führt den Pinzgauer und uns erst am Meer entlang, dann ins Landesinnere und den Bergen immer näher.

Die Natur bringt uns auch hier immer wieder dazu anzuhalten und Fotos zu machen. Wie es hier im Sommer aussehen muss, können wir uns kaum vorstellen. Auch so ist es schon wunderschön!

Abends halten wir bei Surami und finden Abseits in der Natur einen Platz. Direkt am Fluss und von kleinen Büschen von der Straße etwas abgeschirmt kochen wir Spagetti und danach wird Chacha getrunken.

Obwohl wir nahe dem Wasser sind, geht es von den Temperaturen her. 5 Grad über plus lassen uns eng in die Schlafsäcke kuscheln.

 

Die Fahrt quer durch Georgien nach Tbilisi vermittelt uns einen kleinen Eindruck von dem Land und den Leuten, kann aber kaum zeigen wie es wirklich ist. Der erste Eindruck: im Vergleich zur Türkei ist alles noch ein klein wenig heruntergekommener. Die Menschen leben teils mit dem Nötigsten, machen aber das Beste daraus. Häuser und Gebäude die dem Zerfall nahe sind, werden nur repariert, wenn es wirklich brenzlich wird.

Das Gleiche mit den Autos. Eine fehlende Stoßstange muss nicht ersetzt werden, wenn sie keine primäre Funktion hat (zum anderen gibt es Stoßstangenmangel in Georgien. Kein Witz). Auch sieht man viele Windschutzscheiben die Risse haben und die Sicht rapide einschränken. Aber daran haben wir uns schon ab dem Balkan gewöhnt. Der Unterschied hier ist, dass man damit einfach weiter fährt, egal wie schlimm es ist.

Ein weiterer Unterschied ist der Verkehr. Es wird gefahren wie die Sau. Das gefällt mir. Es geht noch rabiater und wilder zu als bisher:

In den Kurven wird überholt. Generell und jederzeit! Egal wie viel Fahrspuren es gibt → eine Spur extra geht immer.

Die Straßen sind noch schlechter als in der Türkei. Regelmäßig sieht man Fahrzeuge plötzliche Schlenker fahren, um kinderwagengroßen Löchern in der Fahrbahn auszuweichen.

Trotz der „Verschlimmerung“ der Zustände und der zunehmenden Entfernung von der Heimat fühlen wir uns hier in Georgien gleich viel mehr an Zuhause erinnert, als je zuvor. Einer der Gründe sind die Menschen, deren Kleidungsstil und - wir hätten es nie zu glauben vermocht - die Kirchen, die das Stadtbild dominieren. In Georgien ist der Großteil der Bevölkerung griechisch orthodox → Christlich.

 

Auch fällt uns wie eine unsichtbare Last von den Schultern: In der Türkei hatten wir immer ein wenig das Gefühl beobachtet zu werden. Zudem haben wir stark darauf geachtet uns einzugliedern in die muslimische Kultur. Immer darauf bedacht keine Fehler zu machen in

dem wie wir uns Verhalten. Auch die vorherrschende Politik und die Polizeipräsenz (ob Einbildung oder Vorurteil) in der Türkei hat dazu beigetragen. Jetzt sind wir ganz locker.

 

Einer der ersten Aussagen über Georgien die wir zu Ohren bekommen ist:

„Georgien hat scharfe Gesetzt und Strafen ... aber keiner hält sich daran.“

 

Tbilisi

09.12.18 Sonntag

Nachmittags kommen wir in der Hauptstadt an und fahren direkt zu der Waldorfschule mit der wir in Kontakt stehen.

Der Verkehr ist zum Haare raufen und es ist höchste Vorsicht geboten! Aber der nicht unauffällige Pinzgauer macht es uns ein wenig einfacher. Die Regel ist: großes Auto hat Vorfahrt!

Bei der Schule haben wir über den Portier (24h vor Ort) Tamta, die Physik Lehrerin bei der wir unterkommen können, angerufen. 15 Minuten später ist sie da und holt uns ab. Zu Fuß geht es zu ihr → dem Pinzgauer können wir in Schule parken. So Sicher wie hier ist es nirgendwo in der Umgebung dank dem Wächter.

Die Wohnung von Tamta ist klein aber gemütlich. Wir haben unser eigenes Zimmer und es ist warm. Perfekt!

 

10.12.18 Montag

Wir treffen uns mit Mariam (Geschäftsführerin der Waldorfschule) in ihrem Büro und klären ab, wie und wann wir Zirkus Workshops geben.

Ergebnis → 4 Diszipline - Mo. bis Fr. → Sa. Show mit den Kids der 5. und 6. Klasse.

 

Die Waldorfschule ist 1994 gegründet worden und derzeit werden 400 Schüler von der 1. bis zur 12. Klasse (Abi) unterrichtet. Ein Kindergarten ist auch auf dem Gelände.

Neben dem Haupthaus gibt es noch mehrere Werkstätten, ein Haus für den Hort, Kindergarten, Eurythmie-Saal und eine Sporthalle.

 

14 Uhr starten wir mit den Workshops.

Ca. 60 Schüler der 5. und 6. Klasse haben bei uns Jonglage, Balance, Clown und Akrobatik Unterricht. Unser strukturierter Unterricht findet große Begeisterung bei den Kindern, aber auch bei den betreuenden Lehrern.

Wir erfahren, dass die anderen Klassen auch sehr an Zirkus interessiert sind, vor allem die Oberstufenschüler. David und ich machen uns Gedanken mehr Angebote zu starten und beschließen spontan ab Dienstag jedem Abend für die Oberstufe ein offenes Training anzubieten.

 

11.12.18 Dienstag

Vormittags besuchen wir Davit in Saguramo (30 Minuten Fahrt aus Tbilisi) im Auftrag von KUKUK.

Der Grund ist, dass Davit (aka Dato) und unsere Leute von KUKUK schon länger in Kontakt stehen. Dato lebt mit seiner Frau Miriam seit über 20 Jahren in Saguramo und sie haben ein großes Gelände, das zwei Häuser, Werkstätten, Gewächshäuser, einen Stall und ein paar Quadratmeter Ackerland einschließt. Der Hof heißt "Cisartyela" - zu Deutsch: Regenbogen.

Seit diesem Jahr ist hier ein Waldorf-Kindergarten mit 9 Kindern am laufen aber die Pläne der Zwei sind viel größer und umfassender:

Geplant ist für die nächsten Jahre die Eröffnung einer Waldorfschule von der 1. bis zur 6. Klasse! Des weiteren ist ein „Dorf“ in Planung mit einzelnen kleinen Häusern rund um einen zentralen Platz. Auf diesem soll – im Zentrum– der KUKUK Spielplatz als Mittelpunkt des Pausenhofs entstehen.

Jede Klasse wird dann ein eigenes Haus für sich mit Holzofen und den Dingen „nahe am Leben“ haben. Gartenbau und die Arbeiten mit den Tieren (Esel, Kuh, Schaf, Hühner und Katzen) wird eine super Ergänzung zu den normalen Unterrichtsfächern bieten. Die Idee ist da. Jetzt muss sie nur noch verwirklicht werden. Sehr starke Pläne.

 

Wir sind hier, um Bilder von den möglichen Bauplätzen für unsere KUKUK´s in Deutschland zu machen und „die Lage zu checken“.

Bei Kaffee und Kuchen lauschen wir den Erzählungen von Miriam und Dato. Nebenbei lernen noch ihre (derzeit) 3 Adoptiv-Kinder kennen.

David und mir gefällt es hier gut. Gerne würden wir länger bleiben. In den 30 Minuten Fahrt zurück nach Tbilisi werden wir uns einig, dass wir die Zwei anfragen, ob wir ab nächster Woche bei ihnen bleiben können.

 

Mittagessen gibt es für uns in Mensa der Waldorfschule. Im Anschluss machen wir weiter mit den Workshops der 5er und 6er.

Mit den Oberstufenschülern: OPEN TRAINING direkt im Anschluss.

Überrascht, wie viele es dann doch tatsächlich sind, machen wir ein strukturiertes Training daraus. Step by step zeigen wir die Basics aus Akrobatik, Jonglage und Balance → alles mit Hinblick auf: „how to teach“.

Wir haben den ehrgeizigen Gedanken gefasst hier ein Zirkus-Projekt zu gründen!

 

Die Tage ziehen ins Land und wir machen so viel Zirkus wie schon lang nicht mehr. Die Workshops mit den Kids und der OS bestimmen unseren Tagesablauf. Das Training zeigt seine ersten Ergebnisse: Die ganze Schule ist vom Zirkus-Fieber angesteckt. Überall sehen wir auf einmal Jonglierbälle auftauchen, bei den Trainings mit den jüngeren Kids kommen andere Kids zum zuschauen und die Abendkurse werden immer voller! Auch ehemalige Schüler kommen vorbei.

Die Abendlichen Trainingszeiten werden regelmäßig überzogen und bis spät in die Nacht trainieren wir mit den OS´lern und freunden uns mit ihnen an. Alles was wir über Zirkus erzählen wird aufgesogen wie Wasser von einem trockenen Schwamm.

 

14.12.18 Freitag

Die letzten Workshops sind mit Schwerpunkt „Vorbereitung auf die Aufführung“ thematisiert. David und ich haben ein gutes Gefühl für die morgige Show. Es wird zwar eine ordentliche Aufgabe aber wir wuppen das schon!

Ein paar der Jungs wollen uns ihre Stadt zeigen. Mit Gio, Ika und Lascha (Oberstufe) geht es nach dem Training in die Stadt → es ist Freitag!

Die Metro (tief im Untergrund) bringt uns runter ins Zentrum von Tbilisi. Zu Fuß durch den alten Teil der Stadt und dann zur Statue der „Mother of Georgia“ - das Freiheitszeichen der Stadt.

Mit unseren neuen Freunden machen wir es uns am Fuße der Mutter gemütlich. Die Jungs haben Chacha dabei und es wird getrunken und gesungen...

Der Abend wird zur Nacht und wir ziehen durch die Straßen von Tbilisi.

 

15.12.18 Samstag

Wir wachen auf und der Schädel brummt. Hätten es eigentlich wissen müssen …

Ohne Frühstück, weil Magen empfindlich, geht es zur Schule. Beim Schuhe anziehen merken wir, dass unsere Balance noch nicht ganz so fit ist. Auch Kopfunter tut nicht gut … dieser Chacha ist ein ganz übler Bursche! Etwas unsicher auf den Beinen geht es zur Schule.

 

Heute ist die Adventsfeier der Schule und der Zirkus eröffnet mit seiner Show.

Innerhalb einer Stunde bereiten wir alles vor: Bühnenbild (draußen – zwischen Pinzgauer und Baum Seil gespannt und den Vorhang befestigt), mit den Kids alle Nummern noch ein mal separat  durchgegangen, unsere eigene Show vorbereitet (Instrumente, Materialien, Schminke, usw.), Musikbox aufgebaut und hartnäckigen Kater bekämpft. Die Oberstufenschüler aus den Abendtrainings haben uns geholfen und unterstützt wo es ging.

Eine letzte Probe. Die Kids ist aufgeregt bis zum geht nicht mehr: die ganze Schule steht jetzt auf dem Schulhof um die Show zu sehen.

Gleich geht es los!

 

Die Kinder mit denen wir jetzt die ganze Woche über trainierten, haben sich zwischen den Disziplinen Akrobatik, Balance, Clown und Jonglage entscheiden. Die dadurch entstandenen Nummern haben wir in unsere schon bestehende Show integriert.

Ohne eine Generalprobe mit allen zusammen geht es los. Der ganze Schulhof ist voll mit Zuschauern: Eltern, Großeltern, Verwandte und natürlich die ganzen anderen Schüler sind da und schauen zu.

Dafür, dass die Kids das zum ersten Mal machen und dann noch vor so einer großen Menge, dass muss echt erwähnt werden, machen sie es richtig gut. Hut ab!

In dem Moment aber ist für solche Gedanken kein Platz. Vor allem nicht für David und mich. Während wir unsere reguläre Show spielen, müssen wir uns noch für die 60 Kinder und alle Umbauten kümmern. Zum Glück helfen uns wieder die Oberstufenschüler!

 

Die Aufführung ist der HAMMER!

Das Publikum ist begeistert und unsere Kids rocken die Bühne.

Gut eine Stunde geht unsere Show. Im Freien bei rund 4 Grad Celsius.

Es ist geschafft und die Adventsfeier ist eröffnet!

 

Positive Rückmeldung der Eltern und Lehrer lässt unser Herz aufgehen und wir sehen uns und unser Projekt wieder einmal zu mehr als 100% bestätigt.

Erinnerungsphotos mit uns und den Kids werden gemacht, dann bauen wir alles wieder ab. Im Café der 12. Klasse werden wir Eingeladen zu Mittagessen.

 

Gio, einer der 12. Klässler, fragt ob wir Lust haben Ski fahren zu gehen … Morgen!!! Ja klar!

Kurz darauf sind wir im nahe gelegenen Ski-Laden und leihen Equipment aus. Das Ausflugsziel für Morgen ist Gudauri – eines der größten Skigebiete Georgiens. Zusammen mit ein paar 12ern und deren Freunden geht es in die Berge.

 

16.12.18 Sonntag

So früh geht es schon länger nicht mehr aus den Federn.

Um 7 Uhr treffen wir uns mit Lily, Gio und Davit an der Schule. Gemeinsam laden wir die Ski in den Pinzgauer und dann geht es los nach Gudauri. Dem Sonnenaufgang entgegen.

 

Fortsetzung folgt...

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